Hermans, Günter, „Keramik: Keramische Rohstoffe am Hassek Höyük und ihre Eigenschaften – Beobachtungen aus der Sicht des Praktikers“, in Manfred R. Behm-Blancke, ed., Hassek Höyük: Naturwissenschaftliche Untersuchungen und lithische Industrie (Istanbuler Forschungen, 38), Tübingen: Ernst Wasmuth (1992) 101-107.
Der Inhalt des Buches resultiert aus einer Ausgrabungsbeteiligung im Auftrage der Deutschen Archäologischen Gesellschaft München/Berlin, im Jahre 1980. Die Ausgrabung insgesamt dauerte mehrere Jahre. Die Grabungsstelle befand sich am Oberlauf des Euphrat, Südosttürkei, in Sichtweite des Berges Nemrut Dagi bzw. nördlich der Stadt Urfa. Es handelt sich um eine Ansiedlung die ca. 3000 Jahre v. Chr. entstand (späte Steinzeit / frühe Bronzezeit). Diese Ansiedlung war eine der nördlichen Provinzen der mesopotamischen Hochkultur (Babylon, Ur und Susa, vorwiegend der späten Uruk-Zeit). Hier am Hassek Höyük fand man eine grosse Ansammlung steinzeitlicher Keramik. Unsere Aufgabe war es, das Ausgrabungsgelände und die Grabungsstücke fotografisch zu erfassen, Tonscherben zu archivieren. Weiter war von Interesse, aus den in der Nähe gefundenen Tonlagerstätten, Tonmassen zu entwickeln, mit denen dann Repliken von alten Gefässen gemacht wurden. Auf den Oberflächen der nachgebauten Gefässe wurden Versuche mit der Reserved-Slip Technik gemacht. Rudimentäre Ofenfund-Reste gaben eine Vorstellung zum Nachbau von kleinen Lehmöfen, in denen die nachmodellierten Gefässe in einigen Versuchsbränden erfolgreich gebrannt wurden.
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Der nachfolgende Text, ist ein Auszug aus dem Englischen Buch Chinese Glazes
des Autors Nigel Wood Copyright © 1999, der Seite 117 bis 129.
Mit freundlicher Genehmigung vom 07.05.2003 des Verlages A & C Black (Publishers) Limited (GB)
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URSPRÜNGLICHE ZUSAMMENSETZUNG DES SÜDLICHEN UND NÖRDLICHEN SELADONS
Im Falle von Longquan Seladonglasuren glaubt und akzeptiert man jetzt allgemein, daß sein Haupt-Glasurbestandteil der Quarz-Glimmerstein war, als „Glasurstein“ bekannt, und dies war wahrscheinlich ein dem pulverisierten Vulkangestein sehr ähnliches Material, das zur Herstellung der Longquan Seladon Tonmassen selbst verwendet wurde. Ca. 12% zerstoßener und gebrannter Kalkstein mit einem geringeren Anteil Holzasche wurde dem Glasurstein zugefügt, um die glatten, jadeähnlichen Kalk-Alkali-Glasuren herzustellen, die für die Longquan-Erzeugnisse typisch sind. Dieser Weg scheint sich ganz natürlich aus den früheren „Tonmasse plus Holzasche“ Rezepturen entwickelt zu haben, die für das Yue Steinzeug verwendet und bereits jahrhundertelang in den gleichen Regionen von Zhejiang angefertigt wurden.
Dieses Prinzip der „Tonmasse plus Flußmittel“ kann jedoch nicht erfolgreich auf die Analysen der nördlichen Seladonglasuren angewendet werden. Yaozhou und Linru Tonmassen enthalten beide ca. 1,2% TiO 2 , während ihre Glasuren einen durchschnittlichen Wert von 0,3% TiO 2 haben. Da es praktisch unmöglich ist, Titan aus dem Steinzeug-Ton zu entfernen, wäre der maximale Anteil von Tonmasse, der in einer typischen nördlichen Seladonglasur verwendet hätte werden können, nur ca. 25% gewesen.
Da nun Tonmassen nur als geringfügiger Glasurbestandteil in nördlichen Seladonglasuren möglich ist, was waren dann nun die Haupt-Rohmaterialien, die für diese Glasur verwendet wurden? Obwohl wir noch nicht die ganze Antwort auf diese Frage kennen, wurde für Yaozhou Keramik vermutet, daß ihr Hauptglasurbestandteil vielleicht ein örtlicher schmelzbarer Stein war, der als „fuping“-Stein bekannt ist. Dies war ein sandiges, kalkhaltiges Material, was eine natürliche Mischung von Kaolin, Calcit, Quarz und Feldspat ist – alles brauchbare Mineralien bei Steinzeug-Glasuren. Wenn der „fuping“ Stein den Yaozhou Seladonglasuren zugrundelag, hätte dies einen größeren Bruch mit dem Prinzip „Tonmasse-Material plus Fluß“ bedeutet, das mehr als zwei Jahrtausende für chinesische Grün-Glasuren funktioniert hatte.
Wie es für chinesische Glasuren üblich ist, könnten die für die Glasuren benötigten zusätzlichen Anteile Kalk durch Kalkstein, Holzasche oder durch eine Mischung aus beiden erzielt worden sein. Linru Seladonglasuren jedoch sind merklich reicher an Soda als die Glasuren in Yaozhou verwendeten – was die Möglichkeit ergibt, daß in ihren Rezepturen lößartiger Ton verwendet wurde. Die Landschaft besteht in großem Maße aus Löß, da wo sich die Linru-Brennöfen befinden und wo das Material ein schmelzbares Eruptivgestein ist, das durch Gefrieren und Auftauen wie auch durch den Windabrieb in den Wüsten der inneren Mongolei zu Staub wurde.
Chinesischer Löß ist reich an Kieselerde, Kalk, Magnesium, Pottasche, Soda und Eisen. Er ergibt eine bräunliche oder schwarze Glasur, wenn er bei Steinzeugtemperaturen gebrannt wird, und wurde wahrscheinlich zu diesem Zweck in einigen Schwarzgut-Brennöfen im Norden Chinas seit mindestens Mitte des 6. Jahrhunderts vor Christus verwendet. Der Titangehalt von Löß beträgt durchschnittlich ca. 0,7%, und sein Eisenoxydgehalt ist ca. 5%. Linru Seladonglasuren könnten deshalb ca. 33% Löß in ihren Rezepturen enthalten – mit allen mit einem reichlich verwendeten, vorgemahlenen und leicht plastischen Glasurmaterial verbundenen Vorteilen. Die restlichen Bestandteile könnten eine Mischung aus Quarz-Feldspat-Gestein, Holzasche und Ton gewesen sein. Das ist jedoch reine Spekulation. Es ist möglich, daß Löß für Linru Glasuren nicht verwendet wurde und daß ihre ursprünglichen Rezepturen sich von denjenigen, die heute für diese Art von Glasuren verwendet werden, nicht zu sehr unterscheiden – nämlich Quarz-Feldspat-Gestein, reiner Quarz, Kalkstein, Ton und Holzasche. Moderne Reproduktionen von nördlichen Steinzeugglasuren, die kürzlich in Nord-China hergestellt wurden, verwenden sicherlich diese Rohmaterialien, die meistens in der Nähe der Brennstätten der Song und Jin Dynastien gebrochen und gesammelt wurden.
Um völlig sicher zu gehen, welche Glasur-Rohmaterialien von nördlichen Seladonglasur-Töpfern verwendet wurden, sind detaillierte mineralogische Analysen von ungebrannten Seladonglasuren nötig, die aus ursprünglichen Brennorten ausgegraben wurden. Funde dieser Art wurden sowohl im Norden als auch im Süden Chinas gemacht, einschließlich des riesigen Tongchuan Ofen-Komplexes in der Nähe von Xi´an und beim Keramik-Brennort Guan in Jiaotanxia. Eine Veröffentlichung von Analysen dieser Rohglasurmaterialien wird mit Interesse erwartet.
JUN (Chün) KERAMIK
Weitgehend zeitgleich mit den nördlichen Seladonglasuren, aber mit schwererern Gefäßkörpern und ungewöhnlich dicken bläulichen Glasuren ist die Jun Keramik aus Nord-China gefertigt. Ihre bedeutendsten Brennöfen waren in den BezirkenYu und Linru der Provinz Henan – obwohl einige Öfen für Jun Keramik im südlichen Hebei lagen, und ein Jun Brennort kürzlich nördlich der großen Mauer in der inneren Mongolei gefunden wurde. Ob die Yaozhou Brennöfen je Jun Keramik machten, scheint zweifelhaft: eine Jun Scherbe wurde auf der Stätte gefunden, scheint aber eine vereinzelte Intrusion zu sein. Yaozhou ist historisch sicherlich nicht für seine Jun Keramikherstellung bekannt.
Jun Keramik wurde sowohl in kohle- wie holzbeheizten Öfen gebrannt und wurde in rauhe Schamott-Brennkapseln gesetzt, gewöhnlich mit einem Stück pro Brennkapsel. Die Märkte für Jun Keramik waren vergleichbar den Henan Seladonglasuren – d.h. sie waren im Norden Alltagskeramik für die reicheren Klassen, mit einigen verfeinerten oder kunstvoll gearbeiteten Exemplaren, die als Tribut, für Tempel oder Paläste auf besondere Bestellung angefertigt wurden. Die Produktion begann im späten 10. Jahrhundert und wurde vielleicht bis ins frühe 15. Jahrhundert betrieben.
JUN (Chün) KERAMIK-GLASUREN
Die große Faszination der Jun Keramik liegt in ihrer Glasur, und Jun Glasuren zählten zu den am meisten bewunderten und am wenigsten verstandenen der chinesischen hochgebrannten Tonwaren. Die wolkigen Farben der Jun Glasuren variieren von grün-blau bis blau-weiß und himmelblau und manchmal beinahe bis lavendel. Ihre geronnenen und opalisierenden Tiefen haben eine geheimnisvolle Eigenart, die mit dem Umgebungslicht variiert. Diese dicken Jun Glasuren haben oft Narben und Nadellöcher und zeigen manchmal in der Tiefe eigenartige wandernde Linien, die chinesischen Kennern als „Erdwurm-Spuren“ bekannt sind.
Diese bläulichen Jun Glasuren wurden oft mit einfachen gepinselten Mustern mit an Kupfer reichen Pigmenten versehen. Durch das Auftragen des Kupfers mit dem Pinsel ergab sich eine Reihe von verschwommenen Farben gegen die bläulichen Hintergrund-
Glasuren, die von rosa-rot über purpur bis grün und gelegentlich fast bis schwarz variierten, was von der Dicke der verwendeten Pigmente und von der Atmosphäre in den Brennöfen abhing. Diese Kombination aus diffuser kupferroter Malerei und den dicken Jun-blauen Glasuren macht Henan Jun Keramik zur farbigsten und dramatischsten aller nördlichen Steinzeugwaren.
DER JUN (Chün) BLAU-EFFEKT
Während der letzten 60 Jahre haben die außerordentlichen optischen Eigenschaften der Jun Glasuren die Aufmerksamkeit führender Keramik-Wissenschaftler und Töpfer sowohl aus dem Osten wie aus dem Westen angezogen. Während dieses Zeitraums wurden die Blautöne der Jun Glasuren teilweise Eisenphosphaten, colloidaler Kieselerde, Kalkphosphat oder suspendiertem Kohlenstoff sowie gegenseitig unlöslichen Glasarten zugeschrieben.
Diese letztgenannte Theorie – daß winzige Glaskügelchen in den Jun Glasuren blaues Licht verstreuen – hat sich als richtig erwiesen. In den späten 70iger Jahren wurde die Mikrostruktur einer Song Jun Glasur von Dr. Robert Tichane in der New York State University mit einem Abtast-Elektronenmikroskop photographiert und in „Those Celadon Blues“ (1978) veröffentlicht. Bei starker Vergrößerung (x 20000) jenseits der Auflösung optischer Mikroskope sehen Jun Glasuren eher wie Kaviar oder Froschlaich aus, wobei die Licht zerstreuenden Glaströpfchen in der Glasur klar sichtbar sind. Aus technischer Sicht ist dieser Effekt als „Flüssig-Flüssig-Phasen-Trennung“ bekannt, wobei eine „Phase“ einfach nur ein Materiezustand ist, gleich ob fest, flüssig, gasförmig oder plasmaförmig. Die Glaströpfchen in Jun Glasuren sind durchschnittlich 0,08 m m groß und somit deutlich feiner als die Wellenlänge des blauen Lichts, (0,4-0,5 m m), geben jedoch durch einen als Rayleigh Scattering bekannten Interferenzeffekt den Jun Keramik-Glasuren eine stark bläuliche Tönung.
Die blauen Farben der Jun Glasuren sind deshalb eher optische als echte Pigmenteffekte – etwa wie das Blau des Himmels. Ähnlich entsprechen die „mondweißen“ Eigenschaften von leicht ungenügend gebrannten Jun Glasuren Emulsionen wie Milch, bei denen winzige in Wasser schwebende Fettkügelchen ebenfalls weißes Licht erzeugen. Bei diesen ungenügend gebrannten Glasuren sind die einzelnen Tröpfchen größer, wenn aber die Brenntemperaturen ansteigen, werden die Tröpfchen beim Abkühlen kleiner und verändern die Glasurfarben von weiß zu blau, bei noch mehr Hitze ins Blaue mit einem Hauch von Purpur. Dieses „Emulsions“-Phänomen unterscheidet die Jun Glasuren von den chinesischen Glasuren im allgemeinen, gleich ob hoch- oder niedriggebrannt. Bei diesen gewöhnlicheren Glasuren rühren die Farben einfach von Oxidpigmenten her, die sich in dem Glasurüberzug in Suspension oder Lösung befinden. Man kann das Fehlen von echten blauen Farbpartikeln oder aufgelösten blaufärbenden Ionen in Jun Glasuren feststellen, indem man einen Splitter Jun Glasur ans Licht hält: die Glasur erscheint dann strohfarben, und ihr blauer Ton verschwindet völlig.
FORSCHUNG ÜBER JUN (Chün) GLASUREN
Was genau dieses Entmischen von Glas in Jun Glasuren bei hohen Temperaturen auslöste, war bis zu den frühen 80igern immer noch eine Sache von Mutmaßungen, aber hauptsächlich schrieb man es den Phosphoroxiden zu. Man wußte, daß Phosphoroxide im Glas eine milchige Opaleszenz erzeugen, und ebenso das Entmischen von geschmolzenem Gestein in unvermischbare Glasarten unter bestimmten Bedingungen fördern. Die Indizien für eine wesentliche Rolle der Phosphoroxide waren deshalb stark, und in Ost und West nahm man allmählich an, daß kleine Mengen von Phosphoroxiden die vorrangige Ursache der „Flüssig-Flüssig-Phasen-Trennungs“-Effekte in Jun Glasuren waren.
Kaum gewann jedoch dieser Gedanke Raum, als schon Zweifel an seiner Gültigkeit aufkamen. Z.B. wies Dr. Nils Sundius (früherer Geologe in schwedischen Staatsdiensten) darauf hin, daß die Menge von Phosphoroxiden in Jun Glasuren (ca. 0,3-0,9%) weitaus niedriger war als die, die benötigt wurde, um Opaleszenz in Glas zu erzielen (2-3%). Darüberhinaus zeigte eine zunehmende Anzahl von Analyse-Ergebnissen über chinesische Glasuren, daß der Phosphorgehalt von Henan Juns bei weitem nicht außergewöhnlich war – viele chinesische Keramikglasuren enthielten mindestens so viel P 2 0 5 , ohne jegliches Anzeichen von Opaleszenz. Da der Phosphorgehalt in Jun Glasuren nunmehr erheblich erschien, war es für Glasur-Chemiker schwierig herauszufinden, was den Jun Effekt verursachen könnte.
Zusätzlich zu diesen Zweifeln bezüglich des Phosphors zeigten neue und genauere Glasur-Analysen, daß Jun Glasuren und südliche Seladonglasuren in der Zusammensetzung weniger ähnlich waren, als frühere Analysen hatten vermuten lassen: Jun Glasuren enthielten typischerweise ca. 69-73% Kieselerde und etwas unter 10% Aluminium, während südliche Seladonglasuren der feinsten Longquan Art ca. 68% Kieselerde und 14,5% Aluminiumoxid enthielten, wobei die restlichen Glasuroxide ungefähr vergleichbar waren. Konnten diese geringfügigen aber übereinstimmenden Unterschiede bei Kieselerde und Aluminiumoxid für die ungewöhnlich bläuliche Färbung dieser Glasuren irgendwie verantwortlich sein?
Das endgültige Aus für die Phosphor-Theorie von Jun Glasuren und die wirkliche Lösung der Probleme kam durch einen Beitrag zur 1. Internationalen Konferenz über alte chinesische Keramik- und Porzellanerzeugnisse, die 1982 in Shanghai stattfand. Der Beitrag wurde gemeinsam von Prof. David Kingery und Dr. Pamela Vandiver geschrieben, damals beide am Massachusetts Institute of Technology, USA. Dieses Papier löste etliche Probleme auf einen Streich und ist seitdem ein Schlüsselwerk für das Studium von chinesischen Glasuren im allgemeinen.
Kingery und Vandiver konnten in Shanghai zeigen, daß es innerhalb eines bestimmten Spielraums verschiedener Mischungen von Kieselerde, Aluminiumoxid, Kalk und Kalium (wovon chinesische Glasuren nur einen kleinen Teil bildeten) einen bestimmten Bereich gab, in dem ein spontanes Entmischen von Glas (Flüssig-Flüssig-Phasen-Tren-nung) während des Abkühlens erfolgte, ohne daß irgendwelche Phosphoroxide dieses auslösen mußten. Chinesische Jun Glasuren lagen knapp innerhalb oder am Rand dieser „Opaleszenz-Zone“, während chinesische Seladonglasuren knapp jenseits davon lagen.
Die Mischungsunterschiede zwischen durchschnittlichen Seladonglasuren und durchschnittlichen Jun Glasuren waren gering aber doch ausreichend, um völlig verschiedene Brenneffekte in den zwei Glasurarten zu erzielen – die Jun Glasur zeigte ihre bläuliche opalisierende Opazität, während die Seladonglasur einfach die typisch grünlichen Farben aufwies, die durch die Eisen-Titanoxid Gemische in der Reduktion ausgelöst wurden. Kurz gesagt, die geringen Unterschiede zwischen den Mischungen der Jun Glasuren und der Seladonglasuren, besonders bezüglich ihres Kieselerde- und Aluminium-oxid-Gehalts, waren für den „Jun Blaueffekt“ verantwortlich.
Was den Phosphor betrifft, sahen Kingery und Vandiver seine Rolle bei Jun Glasuren darauf beschränkt, Blasen zu bilden, vielleicht durch den Zerfall des Pentoxyd zu Trioxyd bei hohen Temperaturen, und nicht verbunden mit opalisierenden oder Opazitäts-Effekten: „….die Opazität wurde nicht beeinflußt, aber die Blasenbildung nahm beträchtlich zu, wenn der Mischung 1% Knochenasche (eine reiche Phosphorquelle) zugefügt wurde.“
Die Debatte über diesen letzten Punkt geht aber weiter, und es ist interessant, zum gleichen Thema Dr. Robert Tichane zum Vergleich heranzuziehen (Those Celadon Blues,1978).
„….nach weiterer Synthese fand man, daß das Chün (Jun) wirklich ein hochkieselerdehaltiges Opal ist, das durch Phosphat ausgelöst und akzentuiert wird. Ein herrliches Opalblau kann dadurch zustandekommen, daß der Kalk-Feldspat-Glasur mehr und mehr Kieselerde beigegeben wird. Aber das Opal kann während jedes Verfahrensabschnitts durch die Zugabe von 0,5% Phosphat stark intensiviert werden…..“
Tichane scheint die „Opalisierungszone“ in dem Kieselerde-Aluminiumoxid- Kalium- Kalk-System entdeckt (wenn auch nicht kartographisch aufgenommen) zu haben, indem er Quarz einer Kalk-Feldspat-Glasur zufügte. Tichane fand jedoch – entgegen Kingery und Vandiver – daß Opalisierung dadurch verstärkt würde, daß der Glasur kleine Mengen von Phosphat zugefügt wurden. In China (wo die Entdeckungen von Kingery und Vandiver weitgehend akzeptiert und angewendet werden) vertritt man dennoch weiterhin den Gedanken, daß mit Phosphoroxiden der Bereich von Bedingungen ausgeweitet werden kann, bei denen Phasentrennung möglich ist. Obwohl man nicht mehr glaubt, daß Phosphor die Hauptursache von Opalisierung ist, halten dennoch viele an dem Gedanken fest, daß er die Wirkung verstärkt und vielleicht sogar unter bestimmten Umständen das Gewicht zugunsten ihrer Entstehung verlagert.
DAS „KINGERY-VANDIVER“ SYSTEM
Es ist nicht leicht alle möglichen Gemische von Kieselerde, Aluminiumoxid, Kalk und Kalium in graphischer Form zu zeigen. Idealerweise muß man ein transparentes Tetraeder (eine Pyramide mit dreieckiger Basis) mit den vier Oxiden an den vier Punkten der Pyramide konstruieren. Jede Kante der Pyramide stellt dann eine Mischung von zwei Oxiden dar, jede Pyramidenfläche eine Mischung von drei Oxiden ,und der Raum innerhalb der Pyramide eine Mischung aller vier Oxide. In der Nähe einer Pyramidenseite beschrieben Kingery und Vandiver eine eiförmige Zone, die spontane „Flüssig-Flüssig-Phasen-Trennung“ zeigte. Für ihre Präsentation in Shanghai zeigten Kingery und Vandiver einen Schnitt durch diese Pyramide in einer Ebene, die weitgehend dem Kieselerdegehalt von typischen chinesischen Jun- und Seladonglasuren entsprach. Dies zeigte, daß die Jun Glasuren gerade innerhalb (oder in den Randbereichen) der „Opalisierungszone“ lagen, während die Longquan Seladonglasuren gerade jenseits davon lagen.
Seit dieses Papier vorgelegt wurde, hat auch Prof. Chen Xianqiu aus Shanghai ein einfacheres, aber doch brauchbares Bild von Glasurzusammensetzungen vorgestellt, das spontane Flüssig-Flüssig-Phasen-Trennung zeigt. Dies ist eine graphische Darstellung, die RO 2 (SiO 2 +TiO 2 ) gegen R 2 O 3 (Al 2 O 3 + Fe 2 O 3 +P 2 O 3 ) aufzeichnet. Alle bedeutenden chinesischen Glasuren mit Flüssig-Flüssig-Phasen-Trennung finden sich bevorzugt um eine Linie herum verstreut, die RO 2 und R 2 O 3 in einem Molekularverhältnis von 10,7: 1 darstellt (in tatsächlichen Gewichten ist dies RO 2 : R 2 O 3 im Verhältnis 6:3:1). Diese graphische Darstellung ist besonders geeignet zum Gestalten von Glasuren von Grund auf, die dann gute optisch-weiße und optisch-blaue Farben bei Steinzeugtemperaturen ergeben.
ALTE JUN (Chün) -ARTIGE GLASUREN
Unter der Voraussetzung dieser Grundprinzipien überrascht es wahrscheinlich nicht, daß chinesische Töpfer gelegentlich mit ihren alten Ascheglasur-Gemischen in diese „Opalisierungszone“ gerieten, wenn die verwendeten Rezepturen ungewöhnlich arm an Aluminiumoxid und/oder reich an Phosphor waren. Echte „Jun-Blau“ Effekte traten bei grünlichen Ascheglasuren vom Bronzezeitalter bis zum heutigen Tage an einigen Brennorten in ganz China auf. In vielen Fällen trat keine Opalisierung auf, wo die Glasuren dünn waren, weil das Aluminiumoxid der Tonmasse sich in den dünnen Glasuren auflöste und das „ideale“ Oxidgleichgewicht störte. Wo diese eher flüssigen Ascheglasuren jedoch zusammengelaufen und verdickt waren, vor allem an vorstehenden Rändern oder an Spalten, konnten sich während der Abkühlung kräftige milchig-blaue Farbe entwickeln.
In den meisten Fällen waren diese Effekte schwer auf der gesamten Glasur herzustellen, weil die hochkalkhaltigen Rezepturen, auf denen sie beruhten, schlecht verliefen, wenn sie zu dick aufgetragen wurden. Wenn die Glasuren leicht ungenügend gebrannt waren, um das Laufen zu verhindern, ergaben sich eher mondweiße Effekte als die echten Jun Blautöne. Versuche in Shanghai mit den mondweißen Kalkglasuren von Tongguan und Qionglai zeigten, daß sie sich bei höheren Temperaturen in Jun Blautöne verwandeln, aber der Effekt wurde damals wegen der niedrigen Viskosität von hochgebrannten Kalkglasuren wenig verwendet.
Trotzdem produzierten einige spätere südliche Brennöfen, die opal-blaue Keramik herstellten, (wie die bei Wuzhou und Chuzhou in der Provinz von Zhejiang) weniger kalkhaltige und deshalb stabilere Glasuren, die „Jun-Blau“ Effekte aufwiesen. Die Wuzhou Töpfer nutzten die Ähnlichkeit der nördlichen Jun Glasuren mit ihren Zusammensetzungen und entwickelten ihre eigenen ziemlich glänzenden Varianten der Henan Originale. Für ihre „südliche Jun“ Keramik verwendeten die Wuzhou Öfen typische Henan Formen, wie z.B. „Nagelkopf“ Zwiebelschalen und dreibeinige Weihrauchgefäße, und machten ebenso Wasserkannen und Schüsseln im traditionellen südlichen Stil.
WEITERE JUN GLASUR-EFFEKTE
Die bei Jun Glasuren gefundenen Eigenschaften sind jedoch nicht allein das Ergebnis von Flüssig-Phasen-Trennungs-Effekten – sie können auch zusätzlich zu ihren berühmten opal-blauen Farben eine ausgesprochen milchige Streifigkeit, manchmal verbunden mit einer weißen „zuckerartigen“ Mattheit aufweisen. Diese zusätzlichen Eigenschaften scheinen während des Abkühlens durch Mikro-Kristallisation in den Glasuren des Kalk-Silikat Minerals Wollastonit verursacht. Ketten von feinen Wollastonit Kri-stallen (von einem chinesischen Wissenschaftler treffend wie „Wasserpflanzen in einem schnellen Fluß“ beschrieben) schienen in den „ungemischten“ Glasuren während des Abkühlens aus den an Kalk reichen Tröpfchen zu wachsen. Die Zunahme von Wollastonit in Henan Jun Glasuren wurde durch die ungewöhnlich lange Zeit begünstigt, die Jun Glasuren brauchten, um abzukühlen – eine Folge der dicken Wände der Jun Brennöfen und der schweren Brennkapseln, in die die Keramik gegeben wurde. Südchinesische Glasuren (wie die Wuzhou Juns) kühlten fast zu schnell ab, um diese leichteren Streifen und Flecken zu erzielen, und erbrachten glänzendere und im allgemeinen uninteressantere Ergebnisse.
„ERDWURM-SPUREN“ UND „FLIEGENBEINE“
Ein seltsamer und viel-diskutierter Effekt, der oft bei Jun Glasuren beobachtet wurde, ist der von feinen, mäandernden Linien, die dunkler als die sie umgebende Glasur erscheinen. Diese Linien lassen an Erdwurmspuren auf feuchtem, glatten Boden denken und sind wahrscheinlich Überbleibsel von Rissen, die in der dicken Glasurschicht während des Trocknens auftraten. Diese Risse scheinen sich mit geschmolzenem Material gefüllt zu haben, als die Glasuren anfingen zu schmelzen, und da manche Bestandteile der Glasuren dazu neigen, schneller als andere zu schmelzen, sieht man diese Unterschiede in der Zusammensetzung noch immer nach dem Brennen. Einen verwandten Effekt findet man manchmal auf sehr dicken Longquan Seladonglasuren, wo Trocknungsrisse in den Rohglasuren als feinwinklige, braune Linien auf der gebrannten Glasuroberfläche verbleiben – Sprünge, die chinesischen Töpfern als „Fliegenbeine“ bekannt sind.
DICKER GLASURAUFTRAG BEI JUN (Chün) GLASUREN
Die ungewöhnliche Dicke der Jun Glasur, die ein so wesentlicher Bestandteil ihres Charakters ist, war wahrscheinlich zur Entwicklung ihrer optischen Blautöne nötig. Wenn Jun Glasuren zu dünn sind, neigen sie dazu, auf der Höhe des Brennvorgangs Aluminiumoxid aus der Tonmasse zu absorbieren, was den Verlust der Blaufärbung der Glasur zur Folge hat. Aus demselben Grund neigen Jun Glasuren dazu, ihre Blautöne zu verlieren, wo sie infolge der Schwerkraft beim Brennen dünner verliefen, z.B. an Topf- und Schalenrändern. Dieser Effekt kann auch unter dem Boden von vielen Jun Keramiktellern und Blumentöpfen beobachtet werden, wo nur eine dünne Glasurschicht, meist mit einem Pinsel, aufgetragen wurde. Die Jun Glasuren zeigen in diesen Zonen oft eine bräunlich-grüne Farbe.
Die einfachste Art für Töpfer, dicke Glasuren herzustellen, ist, sie auf ziemlich dickwandige Schrühkeramik aufzubringen. Die poröse Schrühkeramik saugt dann schnell aus der Glasur Wasser auf und ergibt durch das Tauchen oder Gießen einen dicken Glasurmantel. Schrühgebrannte Scherben wurden an den Song Jun Ofenorten gefunden, und Jun Glasuren, von denen Schnittproben untersucht wurden, neigen dazu, daß die rezepturbedingte Streifenbildung fehlt, die man bei Glasuren sah, die in mehreren Schichten aufgebracht waren. Dies läßt vermuten, daß die Glasuren in einer einzigen dicken Schicht aufgetragen wurden, was beim Rohglasieren ein sehr schwieriges Kunststück gewesen wäre.
Die Empfindlichkeit des Jun Blau gegenüber jeglichem Übermaß an Aluminiumoxid ist vielleicht auch wichtig für die Erklärung des Phänomens der „grünen Jun“ Glasur. Diese interessante Unterart der Jun Keramik verwendet dieselben Arten wie normale Juns, verwendet aber feine grüne Glasuren, die dicker und leicht opaker sind als die nördlichen Seladonglasuren der gleichen Epoche. Man glaubt, daß die grünen Juns in den gleichen Provinzen hergestellt wurden wie einige blaue Jun Keramik (wie Linru in der Provinz Henan), aber ihre Glasuren weisen eher unterschiedliche Zusammensetzungen auf, mit beträchtlich höheren Aluminiumoxid- und niedrigeren Kieselerde-Werten. Diese Unterschiede sind beachtlich genug, um vermuten zu lassen, daß die grüne Jun Glasur eher ein beabsichtigter Effekt als nur ein schlecht rezeptiertes Jun Blau war – besonders da Dutzende von Analysen der echten Jun Glasuren kleine Abweichungen von der „idealen“ Rezeptur aufweisen.
REZEPTUR DER HENAN JUN KERAMIK
Studiert man Analysen von blauen Jun Glasuren eingehend, ist der erste Eindruck der einer auffallenden Gleichmäßigkeit der Zusammensetzung, die sich von einem Brennofenort zum nächsten kaum unterschied. Da die Glasureffekte so sehr von dem Gesamtgleichgewicht der Glasuroxide abhängen, mußten die Jun Glasuren unvermeidlich innerhalt sehr enger Kompositionsgrenzen gehalten werden. Daß dies von den Jun Keramik Töpfern Nord-Chinas so erfolgreich und über ein so weites Gebiet erreicht wurde, ist sicherlich beeindruckend.
Wie bei den nördlichen Seladonglasuren zeigt der Titangehalt der Jun Glasuren, daß die Jun Tonmasse nur ein geringer Bestandtei der Jun Glasur Rezepturen gewesen sein kann. Der P 2 O 5 Gehalt in den Glasuren ist durchschnittlich ca. 0,5%, aber die MnO Anteile sind äußerst niedrig (durchschnittlich 0,05% MnO) – was einige Zweifel an der allgemein akzeptierten Ansicht zuläßt, daß Jun Glasuren beträchtliche Mengen an Holzasche enthielten. Fast einmalig ist jedoch, daß an einem Holzasche Exemplar aus einem Henan Song Ofenort festgestellt wurde, daß es nur 0,08% MnO enthielt; es ist also anzunehmen, daß den Jun Keramik Töpfern Holzasche zur Verfügung stand, die besonders gering an Manganoxiden war.
Es ist schwer, darüber hinaus Genaueres zu sagen. Ein pulverisiertes granitartiges Felsgestein (wie der Linru „gelbe Feldspat“ in Tabelle 44), mit Kalkstein und/oder Holz-asche Beifügungen und einer kleinen Menge Ton, könnten diese Zusammensetzungen erbracht haben – wie es auch ein Gemisch von Holzasche, Feldspat und Quarz in ungefähr gleichen Anteilen (eine bekannte moderne Art, Jun Blautöne zu erzielen) gekonnt hätte. Wieder einmal braucht man die Analyse von wirklich ungenügend gebrannter Jun Keramik-Ausschußware oder noch besser die Analyse von tatsächlichen Glasur-Resten aus Jun Brennofenorten, um endgültige Antworten auf diese Fragen zu liefern.
DIE BEDEUTUNG VON HENAN JUN (Chün) KERAMIK
Abschließend zu diesem Abschnitt über Jun Keramik ist darauf hinzuweisen, daß die völlig entwickelte Henan Jun Glasur ein nur in China gebräuchlicher Hochbrenn-Effekt war., Die meisten anderen in diesem Buch besprochenen hochgebrannten Glasuren (Porzellan-Glasuren, Seladon-Glasuren, Schwarz- und Braun-Keramik-Glasuren) haben nahe Entsprechungen bei koreanischer, thailändischer und japanischer Keramik. Die Verwendung von dick aufgetragenen Steinzeug-Glasuren, die durchweg ohne die Verwendung weiterer Glasuren darunter Jun Blau-Effekte ergaben, war eine chinesische Besonderheit. Sie beruhte auf zähflüssigen, hoch-kieselerdehaltigen Kalk-Alkali Mischungen, die für die zu erzielenden Blaufarben innerhalb äußerst enger Rezepturgrenzen gehalten werden mußten. Zusätzlich zu einem genauen Mischen und sorgfältiger Auswahl der Rohhmaterialien benötigten Henan Jun Glasuren auch ungewöhnlich lange Brennzeiten und langsames Abkühlen, damit sie ihren speziellen Charakter entwickeln konnten.
RU KERAMIK
Als kaiserliche Keramik, in Auftrag gegeben für den Gebrauch bei Hof von Chinas berühmtestem Kaiser und Ästheten Zhao Ji (AD 1082-1135), der von 1101-26 als der Huizong Kaiser herrschte, nimmt die Ru Keramik eine in der chinesischen Keramikgeschichte einmalige Stellung ein. Mit ihren strengen und eleganten Formen, den subtilen bläulich-grünen Steinzeugglasuren und fast völlig fehlender Ornamentik gilt Ru Keramik für viele als die feinste aller chinesischen Keramikarten. Selbst zu ihrer Zeit waren sie seltene und hochgerühmte Erzeugnisse, und heute gibt es weniger als 70 Stücke dieser bemerkenswerten bläulich-grünen Seladon Keramik in Museen und Privatsammlungen auf der ganzen Welt.
Die Ru Keramik verdrängte ab Anfang des 12. Jahrhunderts AD die Ding Keramik als bevorzugte kaiserliche Keramik. Die creme-farbene Ding Keramik war lange Zeit das offizielle nördliche Song Porzellan, verlor jedoch zuletzt die Gunst bei Hof – entweder wegen ihrer unglasierten und metallhaltigen Ränder und der „Tränen“ in ihren Glasuren oder vielleicht, weil sie allmählich an Exklusivität verlor, da die Fertigung in den Ding Öfen im späten 11. Jahrhundert zunahm.
DER RU KERAMIK BRENNORT
Da der Status der Ru Keramik in der chinesischen Keramikgeschichte ohnegleichen ist, war 1986 die Entdeckung eines Ru Keramik-Ofenorts nahe dem kleinen Dorf Qingliangsi, im Bezirk Baofeng in der Provinz Henan, ein archäologisches Ereignis höchsten Ranges – dessen Auswirkungen noch immer von Historikern der chinesischen Keramik verarbeitet werden. Vor der Entdeckung des Qingliangsi Brennortes hatten viele Gelehrte angenommen, daß man die Ruinen der Ru Brennöfen schließlich bei Kaifeng (der früheren Hauptstadt des nördlichen Song) finden werde, einem Ort, der jetzt unter ca. 10m Flußschlamm begraben liegt. In einem Text aus dem 12. Jahrhundert wird von der Herstellung der Ru Keramik im Hinterhof des Palastes berichtet, und man hielt es nur für eine Frage der Zeit, bis die Ruinen der Ru Brennöfen in der Hauptstadt des nördlichen Song entdeckt würden. Was den Qingliangsi Ofenkomplex angeht, so war dieser schon 1950 und 1977 ausgegraben worden, als man interessante Funde an Grün-Keramik, Schwarz-Keramik und Song „Sancai“ Keramik fand. Zwei Scherben von Ru-ähnlichem Material waren 1977 in Qingliangsi gefunden worden, man hatte jedoch damals angenommen, daß sie in den Bezirk importiert worden waren.
Prof. Wang Qingzhen (Vize-Direktor des Museums von Shanghai) beschrieb 1990 in einer Vorlesung in London lebhaft den Hintergrund der Qingliangsi Entdeckung. Er berichtete, wie man ihm 1986 am letzten Tag einer wochenlangen Keramik-Konferenz in Xi´an einen fehlgebrannten Ru Keramikteller gezeigt hatte. Der Ru Teller war eine Pinselwasch-Schale, und ihre Besitzer, Wang Luxian (ein Techniker in einer Keramikfabrik in Henan), war zu schüchtern gewesen und kam erst am letzten Tag der Konferenz mit seinem Fund heraus. Da die Pinselwasch-Schale ein unvollkommenes Stück war, bemerkte Prof. Wang sofort, daß es nicht aus einem Grabmal stammen konnte und daß es sich deshalb wahrscheinlich um eine echte Ausschußware handeln mußte. Er hörte mit Erstaunen, daß Herr Wang sein komplettes Ru Keramik-Teil einfach in einem Weizenfeld in der Nähe von Qingliangsi gefunden hatte. Prof. Wang erinnerte sich an seine damaligen Gefühle:
„…..Ich fühlte mich plötzlich, als würde ich schweben! Dies war der Ort, nach dem meine geschätzten Vorgänger ein Leben lang gesucht hatten…Ich suchte auch nicht einmal nach dem Ru Brennofen – aber hier wurde mir seine tatsächliche Existenz enthüllt!“
Nach seiner Rückkehr nach Shanghai, sandte Prof.. Wang zwei Museums-Mitarbeiter zur Untersuchung des Ortes nach Qingliangsi, wo man viele andere Scherben, Brennkapseln und Einrichtteile fand, was bestätigte, daß es sich tatsächlich um einen Ru Brennort handelte. Nach der Untersuchung des Museums von Shanghai wurde mit finanzieller Unterstützung der Zentralregierung eine Grabung von einheimischen Archäologen aus Henan organisiert. Eine Anzahl fehlgebrannter Stücke von Ru Keramik, die alle die klassischen Ru Merkmale aufwiesen, wurden schließlich in Qingliangsi ausgegraben – womit die in der Welt dokumentierte Gesamtzahl an Ru Kerami von ca. 60 Stück auf nahe 70 stieg.
KAIFENG RU
Die Entdeckung des Ru Brennofenortes in Qingliangsi bedeutet nicht automatisch, daß sich die Berichte über Kaifeng Ru Brennöfen irrten, da es gut möglich ist, daß ein Ru Keramikofen in Kaifeng existiert hatte, besonders gegen Ende der nördlichen Song Dynastie (AD 960-1127). Es wurde kürzlich vorgebracht, daß der Kaifeng Ofen der Herkunftsort eines außergewöhnlich verfeinerten Stils der Ru Keramik war – vielleicht unter Verwendung von Rohmaterialien, die von ungefähr 80 km westlich der Stadt herangeschafft wurden.
Ein in Frage kommendes Exemplar von „Kaifeng Ru“ Keramik wurde von Regina Krahl, der früheren Kuratorin der Abteilung für Ostantiquitäten des British Museum, vorgestellt. Es handelt sich um eine zerbrochene und reparierte Schüssel, die sich seit 1920 in der Sammlung des Museums befand. Dieses stark beschädigte Stück weist eine außergewöhnlich feine Ru-artige Glasur auf mit Spuren von „Zikadenflügel“-Haarrissen und einer ungewöhnlich verfeinerten Form. Als die Schüssel kürzlich für die Restaurierung zerlegt wurde, konnte man feststellen, wie dünn die Tonmasse gedreht und wie dick die Ru Glasur aufgebracht worden war – die erreichte Technik entsprach voll der südlichen Song Guan Keramik. Die chemische Analyse der Alexander Schüssel zeigte eine Ru-artige Glasur-Zusammensetzung, und auch die Tonmasse war von typisch nördlicher Art.
Die Existenz einer „nördlichen Guan“ Keramik (d.h. „offiziell nördlich“) wird immer noch von vielen führenden Gelehrten der chinesischen Keramik vertreten, von denen viele „Kaifeng Ru“ und „nördliches Guan“ als ein und dasselbe Material ansehen. Trotzdem wurde kürzlich eine interessante „revisionistische“ Theorie von Liu Hebing vom Palace Museum Bejing vorgestellt. Prof. Liu glaubt, daß die Vorstellung von Kaifeng Ru Öfen daher rührt, daß Originaltexte falsch gelesen wurden und daß der einzige echte Ursprung von Ru Keramik Qingliangsi war.
DIE EIGENART DER RU KERAMIK
Was die Zusammensetzung seiner Tonmasse angeht, ist Ru im wesentlichen ein leicht zu niedrig gebranntes (1200 °C -1250 °C) Steinzeug mit einem aluminiumoxidreichen und eisenarmen Ton von tpyisch nord-chinesischer Zusammensetzung. Ru Keramik Formen wurden hervorragend entworfen und dann bis zu einer vernünftigen Dünne gedreht. Dann wurden sie mit verhältnismäßig dicken Kalkglasuren (12,5 -16,5% CaO), mit niedrigem Titangehalt der Farbe Eisen-Blau überzogen. Manchmal entwickelte sich bei Ru Keramik Glasuren während des Brennens ein Hauch von Lavendelblau, möglicherweise aufgrund einer Spur von Kupfer in den verwendeten Rohmaterialien oder vielleicht aufgrund der Verwendung von Achat in der Glasur. Die beste Ru Keramik scheint stark reduziert, und ihre eisenblauen Töne können ungewöhnlich rein sein. Obwohl im späten 11./frühen 12. Jahrhundert in Henan das Brennen mit Kohle gut etabliert war, lassen Ausgrabungen am Brennort Qingliangsi vermuten, daß die Ru Töpfer das teurere Brennen mit Holz bevorzugten – vielleicht wegen der besseren Steuerung bei stark reduzierenden Brennbedingungen.
Wie diese Analysen zeigen, waren die meisten Ru Glasuren im wesentlichen Kalkglasuren mit überdurchschnittlichen Aluminiumoxidwerten. Dieses Oxid-Gleichgewicht ermöglichte bei niedrigem Brennen glatte, steinige Oberflächen und eine Tendenz zur Glasigkeit bei Überfeuerung. Der niedrige Titangehalt und eine gute Reduktion ermöglichten feine bläuliche Tönungen durch die Reduktion des Eisens.
Die Guan Glasuren, die die Ru Glasuren als kaiserliches Steinzeug in Süd-China ersetzten, waren im wesentlichen von der gleichen Art – aber erstaunlicher ist vielleicht die allgemeine Ähnlichkeit der Ru Glasuren mit den Shang Ascheglasuren (Tabelle 1). Die hohen Titanwerte in den Shang Glasuren ergaben in Verbindung mit ihrem Eisengehalt beim Brennen grau-grüne oder gelblich-grüne Färbungen eher als das Bläulich-grün des Ru, aber diese Ähnlichkeiten in der Zusammensetzung beweisen das tatsächliche Alter der Ru Glasur.
Da die für Ru verwendeten Steinzeug Tone niedrig an Flußmitteln und demzufolge leicht niedrig gebrannt waren, war es den Ru Töpfern möglich, ihre Keramik auf feuerfeste Dreispitze in ihren Brennkapseln zu setzen, ohne daß die Formen sich bei hohen Temperaturen verzogen. Diese Technik ermöglichte eine fast vollständige Glasurschicht auf den meisten Ru Keramik Stücken. Abgesehen von der dadurch ermöglichten hohen Oberflächengüte verhinderte dies auch, daß die feuerfesten Steinzeug Tone unter den reduzierten Glasuren durch den Bereich des Bodenrings hindurch erneut oxidierten. Wie Prof. Wang 1990 in London bemerkte: „Wenn die Ru Töpfer ihre Keramik im Ofen hätten frei schweben lassen können, hätten sie es getan!“ Die für Ru verwendeten Dreispitze waren klein und zierlich und sie hinterließen einen Ring von drei oder fünf „Sesam-Samen-Narben“ auf den voll-glasierten Böden. Einige Ru Keramiken wurden auf unglasierten Bodenringen gebrannt, solche Beispiele sind aber selten. Wo die Ru Tonmasse exponiert ist, neigt sie zu einer leicht gräulich-braunen Tönung – in China traditionellerweise als „die Farbe der Weihrauch-Asche“ bezeichnet.
Die Ru Keramik Formen waren im allgemeinen unverziert und erinnern an feinste Lackwaren der nördlichen Song Dynastie. Es ist nicht unmöglich, daß die Lack-Technik selbst etwa Einfluß auf das Glasieren von Ru Keramik hatte. Der Gedanke eines dünnen Trägers als Grundlage für weitere Lackschichten unterscheidet sich nicht allzu sehr von einer dünnen, mit sukzessiven Glasurschichten bedeckten Tonmasse. Unter den bisher gefundenen klassischen Ru Keramik Formen sind Teller, Flaschen, Vasen, Tassengestelle, Weihrauchgefäße, Schalen, Krüge mit Deckeln und Zwiebelschüsseln.
URSPRÜNGE DER RU KERAMIK
Ausgrabungen haben gezeigt, daß man am Brennofenort Qingliangsi zunächst eine Reihe typischer Steinzeug-Erzeugnisse des 9.-10. Jahrhunderts einschließlich Schwarz- Weiß- und bleiglasierter Ware und einer ungewöhnlich bläulich glasierten Seladon Keramik herstellte. Jun Keramik von ungewöhnlich hellblauer Farbe wurde ebenso im 11.-12. Jahrhundert in Qingliangsi hergestellt, die ein direkter Abkömmling des örtlichen Tang-Jun“ Stils zu sein scheint. Es war jedoch das Seladon Material, das verfeinert und verbessert und schließlich als echtes kaiserliches Steinzeug akzeptiert wurde. Selbst während die schlichte und unverzierte Ru Keramik in Kaiserqualität in Qingliangsi hergestellt und gebrannt wurde, wurde auch weiterhin einfachere Ru-artige Keramik produziert, die oft unter ihren grünlich-blauen Seladonglasuren eingravierte oder eingeprägte Muster zeigen.
Man hat lange über die stilistischen Ursprünge der verfeinerten Ru Keramik Formen debattiert. Man hatte einmal gedacht, daß Longquan Seladonglasuren einen bedeutenden Einfluß hatten, aber man hat jetzt erkannt, daß die Ru Keramik tatsächlich der feinsten Seladon Keramik des Dayao Typs vorausging und daß wahrscheinlich feine Yue Waren und Lackgefäße als Vorbild dienten. Die voll-glasierten, auswärts gestellten Füße vieler Ru Stücke waren ein typisches Merkmal der Yue Keramik; offensichtlich hatten die Yue Töpfer bei zeitgenössischen gehämmerten Metallformen Anleihe gemacht.
Koreanischer Seladon wurde ebenfalls als möglicher Einfluß auf die Ru Glasurfarbe genannt. In diesem Fall treffen die Daten zu, aber man könnte auch argumentieren, daß die Ru Glasuren und Koryo Seladonglasuren einfach nur deshalb in der Farbe ähnlich sind, weil sie ein technisches Merkmal gemeinsam haben – einen ungewöhnlich niedrigen Titangehalt.
Es gibt auch die Überlegung, daß es vor der Vervollkommnung der bläulich glasierten Ru Keramik eine weitere sehr geheimnisvolle nord-chinesische als „Chai-Keramik“ bezeichnete Kaiserkeramik aus dem 10. Jahrhundert gab, von der man annahm, daß sie in der Provinz Henan für den Kaiser Chai Shizong (Herrschaft 954-59) hergestellt und bereits in Verbindung mit der Yaozhou Keramik erwähnt wurde. Die Chai Keramik hatte Glasuren, die die frühen Ming Poeten als „Farbe des Himmels nach dem Regen“ beschrieben – vorzugsweise blau mit einem schwachen Hauch von grün. Diese sehr bildhafte Beschreibung einer Glasurfarbe wurde später auf die Ru Keramik selbst ausgedehnt. In heutigen Zeiten wurden keine Chai Keramik Stücke identifiziert, und Ming Poeten berichten, daß selbst Scherben von Chai Keramik zu ihrer Zeit so hochgeschätzt waren, daß sie zu teuren Gürtelspangen verarbeitet wurden. Die Chai Keramik bleibt das erstrangige, hervorstechendste Geheimnis der chinesischen Keramik.
Zusätzlich zu diesen möglichen Einflüssen auf die Ru Keramik können wir jetzt die neueren Funde des bläulich glasierten Yaozhou Steinzeugs aus der Mitte des 10. Jahrhunderts anführen. Einige Beispiele von Yaozhou Steinzeug aus 5 Dynastien weisen Glasuren und Formen auf, die dem späteren Ru recht nahe stehen. Diese Ähnlichkeiten können jedoch ebenfalls zeigen, daß im 10. Jahrhundert bläulich glasierte Seladon Keramik an mehr als einem Brennofenort in Nord-China gemacht wurde – daß es aber der Qingliangsi Ofenkomplex war, der auserwählt war, diesen Keramikstil zu kaiserlichem Standard zu entwickeln.
BLÄULICHE SELADONGLASUREN
Es ist leicht vorstellbar, wie hervorragend diese bläulichen Seladonfarben erschienen wären, hätte man sie im Vergleich mit der großen Masse gewöhnlichen grau-grünen und olivgrünen Steinzeugs ihrer Zeit betrachtet. Auch wenn man die Ru Keramik der Jun Keramik an die Seite stellt, scheint die Jun Keramik im Vergleich etwas aufdringlich. Auch die späteren Longquan Seladonglasuren leiden im Vergleich mit Ru: eines der ansprechendsten Merkmale von Ru Keramik ist das Spüren des feinen gräulichen Steinzeug-Tons unter der bläulichen Glasur, da dies den Glasuren eine geheimnisvolle und zurückhaltende Eigenart verleiht. Selbst die feinsten Longquan Seladonglasuren haben einen einfacheren, härteren und öligeren Charakter als die klassische Ru Keramik von Henan.
HAARRISSE AUF DER RU KERAMIK
Die meisten Exemplare von Ru Glasur haben feine Haarrisse, und Ru wird manchmal als erste klassische chinesische Keramik beschrieben, die „kraquelierte“ Glasuren um ihrer selbst willen nutzte. Man hätte bei dem hohen Aluminiumoxidgehalt des Ru Tons die Haarrisse beim Abkühlen schwer vermeiden können – falls also Haarrisse damals geschätzt wurden, wäre es eher ein natürliches Geschehen als ein beabsichtigter Effekt gewesen. Auf viele Weise verleihen die Haarrisse bei der Ru Keramik der Eigenart der Glasur eine zusätzliche Dimension, vor allem wenn sie die ungewöhnliche „Fischschuppen“ Form aufweist, die man auf manchen Stücken findet.
Fischschuppen-Haarrisse entwickeln sich auf Ru Keramik mit ziemlich dicken Glasuren, die geringfügig überfeuert wurden. Wo sie auftreten, sind die Haarriss-Linien umsäumt von etwas, was wie Bruchzonen innerhalb der Tiefe der Glasur erscheint, aber eher parallel zur Glasuroberfläche als senkrecht dazu – was einen eigenartigen Eindruck von überlappenden Schuppen ergibt. In manchen Fällen sind die Haarriss-Linien länger und spärlicher, zeigen aber auch diese eigenartig „gebrochenen Ränder“. Diese längeren, gebrochenen Haarriss-Linien werden in China mit „Zikadenflügeln“ verglichen – eine Beschreibung, die dem schwachen Schillern der örtlich gebrochenen Glasur besonders nahekommt. Diese ungewöhnlichen Haarriss-Effekte findet man auch gelegentlich auf einigen Stücken der feinsten Guan Keramik.
Die Gründe für dieses seltsame Verhalten der Haarrissbildung wurden nie gefunden. Sie könnten jedoch das Ergebnis einer Kombination von mehrfachem Glasurauftrag, Entmischen einiger Mineral-Bestandteile in der Glasur im noch nassen Zustand auf der Keramikoberfläche und der in nord-chinesischen Brennöfen verwendeten ungewöhnlich langen Brenn- und Abkühlzyklen sein. Alle diese Faktoren zusammen könnten Schichten hoher und niedriger Dehnung innerhalb der Glasurdicke hervorbringen, die dann während des Abkühlens in unterschiedlichem Maße schrumpften. Spannungen zwischen diesen Schichten könnten horizontale Sprünge innerhalb der Glasuren verursacht haben, die von den vertikalen, durch gewöhnliche Haarrissbildung verursachten Sprüngen ausgingen.
ROHMATERIALIEN FÜR RU KERAMIK-GLASUREN
Ru Keramik ist dadurch ungewöhnlich, daß sie zeitgleiche Bezüge zu einem der Grundbestandteile der Glasur, nämlich pulverisiertem Achat hat. Achat ist eine äußerst harte Art von Kieselerde-Gestein, das oft natürliche Einschlüsse von gelb, rot und opal-weiß aufweist. Unterstützung für die Überlieferung, daß bei Ru Glasuren Achat verwendet wurde, kam aus Nachforschungen am Brennort von Qiangliangsi selbst, wo man Adern von rotem und gelbem Achatgestein sehen konnte, die die Löß-Oberfläche soeben durchbrachen. Ob der Achat zu der Ru Glasur-Qualität etwas beitrug, ist schwerer zu sagen: Kieselerde ist das Hauptoxid bei allen Hochtemperatur-Glasuren, aber das meiste pulverisierte Achat hätte sich einfach während des Brennens in der Glasur aufgelöst. Es gibt jedoch einige Hinweise auf „rote Flecken“, die bei starkem Sonnenlicht in einigen Ru Glasuren sichtbar werden, und diese könnten Überbleibsel von zerstoßenen, aber nicht aufgelösten Partikeln rötlichen Achatgesteins sein.
Was die anderen Bestandteile der Ru Glasuren angeht – so müßten diese eine Art von niedrig-titanhaltigem Eruptivgestein als Hauptmasse der Glasur gewesen sein, weiter ein Ton für zusätzliches Aluminiumoxid und eine reiche Quelle von Kalk, der als Haupt-Flußmittel der Glasur agieren sollte. Bis zu einem gewissen Grade lassen sich die über Jun Glasurmaterialien gemachten Bemerkungen auch auf Ru anwenden. Wie Jun Glasuren haben Ru Glasuren einen sehr niedrigen Manganoxid-Gehalt, was entweder auf eine sehr ungewöhnliche Art von Holzasche in ihren Original-Glasurrezepturen hinweist, oder vielleicht darauf, daß Holzasche überhaupt nicht verwendet wurde und daß das Hauptflußmittel der Glasur eine gesteinartige Form von Kalziumkarbonat war.
Was immer ihre ursprünglichen Materialien waren, die Brennergebnisse der Ru Glasuren waren superb. Ru Keramik, Guan Keramik und koreanische Koryo Seladonglasuren beweisen alle das Prinzip, daß Niedrig-Titan-Kalkglasuren, von kleinen Mengen Eisen gefärbt und auf feinen, grauen Steinzeug Ton aufgetragen eine der zufriedenstellendsten und ausdrucksvollsten Kombinationen von Tonmasse und Glasur bei hochgefeuerter Keramik ergeben können.
DER NIEDERGANG VON RU
Kaifeng Ru (wenn es existierte) ist höchstwahrscheinlich mit der Plünderung der Hauptstadt des nördlichen Song zu Ende gegangen, und die Kaifeng Töpfer haben sich wohl dem allgemeinen Exodus nach Süden angeschlossen. Beweismaterial in Qiangliangsi läßt jedoch vermuten, daß sich die Herstellung einer Art Ru Keramik noch bis in die Jin Dynastie (1115-1234) hinein fortsetzte, daß sich aber ihre Qualität allmählich verschlechterte. Wie wir fanden, wurde die Herstellung von kaiserlicher Ru-artiger Keramik im späteren 12. Jahrhundert in Hangzhou neu begonnen, und diese „südliche Ru Keramik“ entwickelte sich wiederum zur berühmten Guan und Ge Keramik des südlichen Song.
CIZHOU KERAMIK
Während man Ru Keramik als den äußersten Höhepunkt der nördlichen Steinzeug-Produktion ansehen kann, kann als die breite Basis der Pyramide die Cizhou Keramik gelten – die zahlreichsten und universalsten Steinzeug Erzeugnisse von Nord-China. Der Name Cizhou selbst stammt von einem Brennofen-Gebiet in der Südprovinz Hebei, das berühmt ist für den Stil des nord-chinesischen verzierten Steinzeugs.
Bildlegende, S. 119
Jun Keramik-Schale in ihrer Brennkapsel. Yuan Dynastie. Schwere Brennkapseln und dickwandige Brennöfen ermöglichten ein langsames Brennen der Jun Keramik, was umgekehrt die Eigenschaften ihrer Glasuren beeinflußte. Reduktionsgase gleiten leicht durch hochfeuerfeste Brennkapseln, wie die oben, aber mit stärker glasartigen Brennkapseln, die aus feinerem Ton waren, wurden manchmal Perforationen für gute Reduktionseffekte nötig. Ashmolean Museum, Oxford, X1564.
S. 119
Drei Henan Jun Untertassen. Jin Dynastie. Die Glasemulsionseffekte, die in den Jun Glasuren Färbungen hervorrufen, sind stark abhängig von den Brenntemperaturen. Die Glasuren dieser drei Jun Keramik-Untertassen weisen im wesentlichen die gleiche Zusammensetzung auf, sie wurden aber im Bereich von ca. 120° C bis 1300° C gebrannt. Echte Jun Blaueffekte entstehen am höheren Ende dieser Skala, „mondweiße“ Glasuren bei leicht niedrigeren Temperaturen, während mit deutlich unzureichender Temperatur gebrannte Jun Glasuren oft gelbliche Töne ergeben. Durchmesser 7 Zoll, (18cm).
Ashmolean Museum, Oxford 1956, 1343.
S. 120
Jun Keramik, Zwiebelschale mit Goldlack-Ausbesserungen, Brennöfen von Yuxian, Provinz Henan. Nördliche Song oder Yuan Dynastie. Schalen in Spitzenqualität mit „Nagelkopf“ oder „trommelgeprägter“ Dekoration wurden bei den Brennöfen von Yuxian ausgegraben. Sie wurden nachweislich als Narzissenschalen in Seitenhallen der Verbotenen Stadt in Beijing verwendet. Ein dünner Kupferpigmentüberzug über die Außenglasur bewirkte einen kupferroten Effekt, was in Kombination mit dem Jun-Blau eine komplexe purpurne Farbtönung ergab.
Höhe 3 Zoll (7,5cm), Æ 7,9 Zoll (20cm). Ashmolean Museum. X1549.
S. 121
Jun Keramik-Teller mit Kupferpigment-Pinselarbeit, Jin Dynastie.
Kupfer löst sich leicht während des Brennens in die Glasuren auf und gibt charakteristische wolkige Zeichnungen. Die Hauptfarben auf diesem Teller sind milchig-blau und purpur-rot, mit gelegentlichen grünen Tupfern, wo örtliche Konzentrationen von Kupferpigment auf der Glasuroberfläche reoxidierten. Æ 7 Zoll (18cm).Victoria and Albert Museum, C.845.1936.
S. 122
Grüne und blaue Jun Schüsseln, 12.-13. Jahrhundert. Grüne Jun Keramik hat Formen mit den üblicheren blauen Versionen gemeinsam, scheint aber eigene und gewollt unterschiedliche Glasurkompositionen zu verwenden. Grüne Jun Glasuren haben einen höheren Aluminiumoxidgehalt und neigen deshalb nicht zur Flüssig-Flüssig-Phasen-Trennung mit der damit verbundenen blauen Färbung. Man vermutet, daß einige Beispiele von grüner Jun Keramik in den Linru Öfen in der Provinz Henan hergestellt wurden. Æ 8,5 Zoll (21,6cm); 8,75 Zoll (22,2cm), Sotheby´s.
S. 123
Jun Keramikteller mit Kupferoxid Pinselüberzug, mit purpurnen und grünen Stellen auf einer bläulichen Glasur. Jin Dynastie (AD 1115-1234). Die leichte weiße „Zuckerglasur“, die man auf diesem Jun Keramikteller sieht, ist vielleicht ein Anzeichen für langsames Abkühlen. Æ 7 Zoll (17,5cm), Sotheby´s.
S.125
Scherben aus verschiedenen Jun Keramik Brennofenorten in Nord-China, datierend von den nördlichen Song- bis zu den Yuan-Dynastien. Zu den gezeigten Öfen gehören Linru, Baofeng, Cizhou und Chifeng Lushan in der inneren Mongolei. Das ungewöhnlich reine Jun Blau der Linru Scherben ist für diesen Ort typisch. Mit freundlicher Erlaubnis von Prof. Ye Zhemin, Beijing.
Rückseite der Scherben im obigen Bild. Der unglasierte Ton am Boden der Cizhou Scherbe ist für die während der Yuan Dynastie hergestellte Jun Keramik charakteristisch.
S.126
Keramik nach Ru-Art, nördliche Song Dynastie.
In gewisser Weise übersteigt die Qualität dieser Schüssel sogar Ru Keramik. Obwohl ihre Zusammensetzung sie als ein nördliches Stück ausweist, ist ihr wirklicher Herstellungsort noch immer unbekannt. Æ 9,5 Zoll (24,3cm), British Museum. Gestiftet von den Frauen Alexander. OA 1920 12-11 1.
Gebrochener Rand der im British Museum befindlichen Alexander Schüssel, während ihrer Restaurierung 1994 aufgenommen. Der oblaten-dünne Ton und die dicke Glasur zeigen das Ausmaß, in dem die Herstellung von Keramik im Ru-Stil in Nord-China entwickelt worden war, ehe ihre Technik auf die südlichen Guan Öfen im späteren 12. Jahrhundert AD übertragen wurde., British Museum.
S. 129
Detail der „Alexander Schüssel“ mit „Zikadenflügel“-Haarrissen. British Museum, OA 1936, 10-19.1.
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Aus dem Englischen Nigel Wood: „Chineses Glazes“, Seite 162-163, Wasser Gas Reduktion
Wegen des gezielten Brennens und Abkühlens in Reduktion sind die meisten unglasierten chinesischen Backsteine und Ziegel grau, und dies war in China seit mehr als 2000 Jahren die bevorzugte Technik für das Brennen von Backsteinen und Ziegeln. Chinesische Texte zeigen, daß mindestens von den Zeiten Hans an viele Backsteinöfen wasser-unterstützte Reduktion verwendeten, und man kann in China auf dem Lande immer noch Öfen zum Brennen von grauen Backsteinen sehen, die überragt werden von riesigen Tonkrügen mit Wasser.
WASSER – GAS – REDUKTION
Bei diesem eigenartigen Reduktionsvorgang wurden kleine Wassermengen in die Ofenkammer oder die Feuerung eingeführt .Soweit im Westen wasser-unterstützte Reduktion verwendet wird, wird das Wasser mit Unterbrechungen auf das brennende Heizmaterial getropft. Das Wasser verbindet sich dann mit eventuell vorhandenem rotglühendem Kohlenstoff und produziert so Kohlenmonoxid und Wasserstoff – ein Vorgang, der sich in folgender Gleichung ausdrückt:
H 2 O + C = CO + H 2
Das resultierende Kohlenmonoxid-Wasserstoff-Gemisch ist chemisch als „Wassergas“ bekannt.
In China scheint das üblichere Verhalten das zu sein, daß man Wasser in Kanälen an den Innenseiten der Ofenwände hinunterrieseln läßt. Während das Wasser zugeführt wird, wird die Verbrennungsluftmenge für das Heizmaterial drastisch vermindert, wodurch schwarzer Rauch (feiner Kohlenstoff) die Ofenkammer füllt. Das Wasser wird dann auf den rotglühenden Ofenwänden zu Dampf und reagiert mit den weißglühenden Kohlepartikeln in der Ofenatmosphäre, um ein Wasser-Gas-Gemisch zu produzieren. Das so entstandene stark reduzierende Wassergas macht die roten Backsteine grau und brennt auch aktiv in der Ofenkammer, liefert damit zusätzliche Hitze für den Brand und ersetzt zum Teil die für die Verdampfung des Wassers aufgewendete Energie. Die wasser-unterstützte Reduktion wird auch in Jingdezhen in den wenigen Holz-Brennöfen verwendet, die es noch immer in der Stadt gibt, obwohl in diesem Fall das Wasser an der Vorderseite des Ofens direkt in die Ofenfeuerung eingeführt wird. Wie ausgiebig diese Wasser-Reduktions-Verfahren im Verlauf der Geschichte in anderen chinesischen Brennöfen, wo Reduktionsbrand praktiziert wurde, verwendet wurden, ist noch immer ziemlich schwierig zu beurteilen.
REDUKTION BEI GLASUREN
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Reduktion bei Tonmassen und bei Glasuren liegt darin, daß Tonmassen während jedes Stadiums des Brandes reduziert oder oxidiert werden können, während Glasuren der Reduktion ausgesetzt werden müssen, bevor sie schmelzen. Wenn die eisenfarbenen Glasuren glasig werden, sind sie gegenüber Reduktionsgasen weitgehend undurchlässig bzw. gegen Reoxidation gefeit, wenn sie schon reduziert sind. Dieses letzte Phänomen ist für Töpfer von beträchtlichem praktischem Wert, da es bedeutet, daß das wirkungslose (und deshalb teure) Reduktions-Brennverfahren ausgesetzt werden kann, sobald die Glasuren richtig geschmolzen sind. Ebenso muß die Reduktion nicht während des Abkühlens fortgeführt werden, wenn die Ofenatmosphäre dazu neigt, sich natürlich zu einem oxidierenden Zustand zu klären. Die einzigen Bedingungen, unter denen geschmolzene Glasuren evtl. wieder oxidieren, sind dann gegeben, wenn sie sehr dünn aufgetragen sind oder wenn ein Eisenüberschuß auf der Glasuroberfläche während des Abkühlens Eisenoxid-Kristalle hervorgebracht hat.
BILDLEGENDE
Das Innere eines chinesischen Brennofens, der für den Reduktionsbrand von Löß-Backsteinen durch den Wasser-Gas-Effekt verwendet wird. Bei diesem Verfahren rieselt Wasser an der Innenseite der Ofenwandung herunter, während er auf voller Hitze ist und nachdem man den Abgaskanal etwas geschlossen hat, um Rauch zu erzeugen. Dampf reagiert mit rotglühenden Kohlepartikeln im Rauch und ergibt Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Beide Gase reduzieren rotes Eisenoxid zu schwarzem und machen die Backsteine grau. Die gelbliche Farbe des ungebrannten Löß rührt von wasserhaltigen Eisenmineralien im Ton her. Diese zerfallen bei etwa 500 °C zu rotem Eisenoxid. Provinz Henan, Nord-China.
(Bild folgt)
Das Äußere eines chinesischen Backsteinofens für Wasser-Gas-Reduktion. Auf dem Dach des Brennofens sind die fünf großen Wasserkrüge zu sehen. Wasserstoffreduktion (wie sie auch manchmal genannt wird) kann hochexplosiv sein und erfordert bei ihrer Verwendung eine gewisse Sorgfalt. Provinz Henan, Nord-China.
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verschiedene einfärbetechniken für craquelée aus „chinese stoneware glazes“ v. joseph grebanier, s. 46
das beste material zum färben welches ich entdeckt habe ist chinesische tinte, in zäher oder flüssiger form. in der zähen form ist die tinte zunächst vorzubereiten durch reiben derselben auf einer unglasierten keramikfläche und durch zubereitung in einer winzigen menge wasser. diese form von tintewird mit einer bürste auf die oberfläche der schon craquelierten keramik aufgetragen. vor dem auftragen der tinte, ob sie nun die herstellungsmethode der craquelierung wie unten angegeben befolgen oder nicht, versicheren sie sich, dass die keramik gründlich durwärmt ist damit die ausgedehnten gesprungenen linien leichteren zutritt für die tinte geben.
die grossen, weiten craquellierungsmuster in einer feldspathaltigen glasur entwickeln sich normal bei einem ziemlich langsamen tempo nachdem das brennen beendet ist, aber es kann beschleunigt werden zum erwünschten grad durch wechselweises eintauchen der gebrannten keramik in sehr kaltem und sehr heissem wasser. bei einigen beispielen habe ich sogar zuflucht genommen zu einer art „gewaltanwendung“ : schnelles hin und herwechseln zwischen eiswasser oder schnee und heisskochendem wasser! wenn beides, der scherben und die glasur eine gute zusammensetzung haben, und korrekt gebrannt sind, dann wird es keine schwierigkeiten geben und ein gutes sprungmuster wird sich entwickeln. einige keramiken verlangen vielleicht mehrere solche behandlungen bevor eine ausreicheende sprungbildung erscheint. in einigen fällen müssen diese behandlungen über mehrere tage oder gar wochen hin ausgedehnt werden. mit der zeit und mit geduldiger wiederholung der technik der „gewaltanwendung“ werden sie fähig sein genau die gewünschte menge an rißbildung zu erreichen.
wenn die keramik vom letzten beguss mit heissem wasser noch ziemlich heiss ist, wird die tinte mit einer bürste in die risse hineingrieben. die keramik kann dann in normale raumtemperatur zurückgebracht werden, damit die tinte in dem craquelée eintrocknen kann. zum schluss wird die überflüssige tinte mit feuchten papiertüchern oder zeitungen abgewischt und die dauerhaft geschwärzten linien kommen zum vorschein im getreuen und hervorragendem ko stil. noch einen besonderen rat: färben sie niemals bevor sie das vollkommene craqueliermuster erreicht haben, dass sie erreichen wollen. stückweises einfärben ist von zu unregelmässiger intensität, das heisst, die farbstoffmenge welche von den risslinien afgesaugt wird, verändert sich von einer bearbeitungszeit zur anderen.
als ein belustigender – und wer weiss vielleicht auch nützlicher – zusatz zu all diesem könnten wir die chnesischen technik des einfärbens von keramikstücken im frühen 18. jahrhundert so betrachten wie es von pater d´entrecolles in einem seiner famosen briefe beschrieben wird: „nachdem es gebrannt ist, kocht man es für einige zeit in einer sehr fettigen fleischbrühe und danach legt man es in die schmutzigste kloake wo sie es für einen monat lang oder mehr liegen lassen“.